Großraumbusse sind die neue Magnetbahn
„Was haben Sie denn da in Augsburg gemacht? Eine Liste von Wünsch-Dir-was, was Sie gar nicht selbst erfüllen können?“ So begrüßt Abendschau-Moderator Volker Wieprecht am Sonntagabend CDU-Fraktionschef Dirk Stettner im Studio nach Rückkehr von der Fraktionsklausur in Augsburg. Nicht nur der für Berlin geforderte Raketenschutzschirm sorgt für Stirnrunzeln, schließlich muss wenn, dann der Bund darüber entscheiden.
Auch in Umwelt- und Verkehrsfragen präsentiert die CDU-Fraktion Lösungen, die eher so wirken, als hätte ein Praktikant mal kurz gegoogelt, was man denn so fordern könnte. Bereits die Forderung, dass man kostenlos Trinkwasser in Schulen bereitstellen soll, scheint wie von einem anderen Stern. Dem BUND Berlin ist nicht bekannt, dass in Bildungseinrichtungen die Wasserhähne demontiert worden wären – Leitungswasser hat bekanntlich in Berlin eine exzellente Qualität.
Befremdlich genauso der erneut aufgewärmte Dauerbrenner nicht nur des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU), das Tempelhofer Feld müsse einen „Klimawald“ bekommen. „Gerade die Wiesen sind besonders für viele sehr anspruchsvolle und zum Teil auch überregional gefährdete Arten von existentieller Bedeutung. Zudem kann die Kaltluft, die sich nachts auf dem Feld bildet, nur in die benachbarten Wohnquartiere strömen, wenn es keine Barrieren wie Häuser oder einen Wald gibt“, wiederholt Verena Fehlenberg, Stadtnaturexpertin des BUND Berlin, den seit Jahren bekannten Sachstand zu solcherlei Ideen.
Und auch in der Verkehrspolitik setzt die CDU ihren Kampf gegen einen attraktiven Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr fort.
Stromgetriebene Groß-Busse mit 200 Plätzen könnten auf vielen Strecken anstelle von Straßenbahnlinien verkehren. „Ein modernes Bus-Netz mit Großraum-Gelenkbussen bietet gegenüber einer schienengebundenen Straßenbahninfrastruktur zahlreiche Vorteile“, zitiert die Berliner Morgenpost (Bezahlschranke) aus einem Beschluss, den die CDU-Fraktion bisher nicht auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat.
Im Vergleich zur nötigen Infrastruktur für neue Straßenbahnlinien seien der Aufwand für solche Busstrecken sehr viel geringer. Auch die Klima-Bilanz falle wegen des Wegfalls vieler Baumaßnahmen günstiger aus, zitiert die Morgenpost weiter. Und den Wunsch, Spandau so von einer Straßenbahn möglichst zu verschonen.
Der ideologiegetriebene Straßenbahnhass der CDU ignoriert zahlreiche Fakten. Bisher gibt es keine Busse, die tatsächlich 200 Menschen fassen könnten. Realistisch liegt die Beförderungskapazität der rund 25 Meter langen Doppelgelenkbusse, die bisher in Deutschland im Einsatz waren, bei maximal 150 Personen. Auch wenn die Herstellerangaben teilweise deutlich höhere Werte suggerieren, orientieren diese Werte vor allem auf die höchste zulässige Zuladung. Real sind sie nicht zu erreichen.
Doppelgelenkbusse sind nicht nur extrem teuer, für ihren Einsatz sind auch viele Infrastrukturanpassungen notwendig. Haltestellenbereiche müssen verlängert, Wendestellen umgebaut werden und auch die Betriebshöfe müssen diese Kolosse aufnehmen können. Mit Achslasten von bis zu 10 Tonnen nutzen solche Busse die Fahrbahnen so stark ab wie ein 40-Tonner-Sattelschlepper oder 160.000 Personenwagen.
Zwei Verkehrswende-Initiativen aus Wiesbaden haben zahlreiche lesenswerte Fakten dazu zusammengetragen. Und zu bemerken ist auch, dass sich die weiterhin straßenbahnlosen Städte Hamburg und Aachen ihre Doppelgelenkbusse vor Jahren wieder aussortiert haben. Sie sind offensichtlich nicht der Weisheit letzter Schluss.
Was also möglicherweise beim Bau der Straßenbahn-Infrastruktur eingespart werden kann, muss also in den Straßenunterhalt fließen. Aus Sicht der Berliner Haushalts ein dummes Vorgehen, immerhin gewährt der Bund bis zu 75 Prozent Baukostenzuschüsse für neue Straßenbahnstrecken.
Sollen die Busse eine eigene Fahrspur erhalten, muss diese breiter ausfallen als bei einem eigenen Tram-Gleisbett. Zudem müssen eigene Bus-Fahrbahnen aufwändig und teuer aus Beton gefertigt werden, wenn man sie nicht alle paar Jahre erneuern will. Und trotzdem bleiben Fahrkomfort und Beförderungskapazität unter jener von Straßenbahnen, die ganz ohne Sondergenehmigung, wie sie für extralange Busse nötig ist, bis zu 75 Meter lang sein können.
Zudem ist bisher für keine Busverbindung der sogenannte Schienenbonus nachgewiesen worden. Darunter wird der Effekt verstanden, dass bei vollkommen identischem Fahrtenangebot gegenüber dem Bus bei einer Straßenbahnstrecke mindestens zehn bis 20 Prozent mehr Fahrgäste einsteigen. Über die Gründe wird bis heute spekuliert, die Tatsache ist aber unbestritten.
Wild sind auch die Vorstellungen der CDU-Fraktion zu Ampeln. Diese sollten „zwingend“ neu geschaltet werden, „wenn es über mehr als 14 Tage auf einer Hauptverkehrsstraße eine Baustelle gibt und diese auch Busse und Bahnen behindert“. Fraktionschef Dirk Stettner verkündete gegenüber der Morgenpost: „Wir wollen Ampeln bei Arbeiten auf allen Hauptverkehrsstraßen so anpassen, dass unnötige Wartezeiten vermieden werden.“
Ein schöner Gedanke, der allerdings in der Realität nicht umgesetzt werden kann. Denn die entsprechenden Fachleute sind derartige Mangelware, dass viele Ampel-Umprogrammierungen in Berlin seit Jahren in der Warteschleife hängen.
Von welchen Experten die CDU-Fraktion sich in diesen Punkten beraten haben lassen will, bleibt fraglich. Vielleicht meinte sie ja Lobbyisten damit. Statt eines Magnetbahnherstellers war es möglicherweise also diesmal ein Busproduzent. Eine ernsthafte Befassung mit den von der CDU behandelten Themen ist erneut nicht zu erkennen.